Türen öffnen – ein Miteinander ermöglichen

Handpuppen von Ulrike Gaidosch-Nwankwo

Diversitätssensible, vorurteilsbewusste und rassismuskritische Sensibilisierung von Fachkräften und Eltern in Kindertagesstätten

Das ist die Zielsetzung der Bildungsarbeit des Verbands binationaler Familien und Partnerschaften hier in München. Was verbirgt sich hinter diesem Wortungetüm? Darüber spreche ich mit Freweini Zerai, der Leiterin der Geschäftsstelle des Verbands, und mit Isabell Riedling, einer Sozialpädagogin, die das Bildungsprogramm gestaltet und verantwortet.

Freweini Zerai stellt die Aufgaben des Verbands vor. Im Zentrum steht die Beratung für binationale, migrantische Paare und Familien. Dieses Beratungsangebot wird durch die Vernetzung der Betroffenen, durch Kommunikation und Austausch ergänzt. In der konkreten Arbeit wird jedoch schnell deutlich, dass es mehr braucht, um Menschen in schwierigen Situationen zu unterstützen.

Workshops für Kita Personal

Hier kommt nun Isabell Riedling ins Spiel. Seit 2017 organisiert sie ein Bildungsprogramm für Kitas, das Fachkräften wie auch Eltern hilft, den Erziehungsalltag offen und diskriminierungsfrei zu gestalten. Ja, es sei schon vieles besser geworden, erklärt sie, aber es ist immer noch eine herausfordernde Aufgabe, allen Kindern und Eltern gerecht zu werden. Vor allem auch in Bezug auf Eltern, die in einem anderen System sozialisiert wurden und Familien mit Migrationsgeschichte, die selbst potentiell von Diskriminierung und Rassismus betroffen sind.

Deshalb bietet der Verband Workshops für die Fachkräfte in Kitas an. In einem ersten Schritt geht es zunächst darum, sich selbst und das eigene Verhalten zu reflektieren, um (häufig unbewusstes) diskriminierendes oder rassistisches Alltagshandeln zu entdecken. Es geht um die Sensibilisierung dafür, mit welchen Bildern Kinder konfrontiert werden, wenn die Weltkarte der Kita selbstverständlich eurozentristisch ist und der Kontinent Afrika einzig und allein mit den Big Five (Tieren) vertreten ist. Oder wenn bei den Farbstiften nur ein Hautfarbenstift im Angebot ist. Es gibt sie nämlich längst, die mehrfarbigen Hautfarbenstifte für alle.

Handpuppen von Ulrike Gaidosch-Nwankwo
Handpuppen von Ulrike Gaidosch-Nwankwo

Häufig sind es konkrete Konfliktsituationen, die Kitas veranlassen, sich professionelle Hilfe in der Arbeit mit migrantischen Familien zu suchen. Isabell Riedling berichtet von solch einem Fall. Einer rumänischen Familie gelingt es nicht, sich an die Regeln der Kita zu halten, das Kind pünktlich zu bringen und an den Elternabenden teilzunehmen. Was von der Kita aus gesehen eine natürliche Erwartung ist, wird auf der Seite der Eltern nicht richtig verstanden und schließlich als Ablehnung des eigenen Kindes gedeutet. In der Aufarbeitung dieses Falles stellt sich heraus, dass es sich um eine Roma-Familie handelt, die Ablehnung und Ausgrenzung vielfach kennt und sich einer Wiederholungserfahrung ausgesetzt fühlt. Sprachbarrieren und der Analphabetismus der Mutter haben die Situation verschärft. Mit dem Wissen um diese Voraussetzungen und dem Bemühen, kulturelle Differenzen wahrzunehmen, eröffnen sich Möglichkeiten, ein echtes Verständnis aufzubauen. In dem konkreten Fall gelang es, einen Dolmetscher zu finden, der selbst Roma-Erfahrung hat und somit eine gute Vertrauensbasis schaffen konnte.

Sehr wichtig: kulturelles Verständnis

Besonders wichtig ist es Freweini Zerai, um Verständnis zu werben für kulturelle Überschneidungssituationen, die in der Arbeit mit migrantischen Familien immer vorhanden sind. Ein Beispiel: Während deutsche Familien von den Kitas die Erziehung zur Selbstständigkeit erwarten, ist für Familien mit Fluchterfahrung die Sicherheit der Kinder zunächst ein weitaus höherer Wert. Kontext und Situationen müssen also mitgedacht und berücksichtigt werden.

Somit braucht es gute Schulungen und Hilfen für die Fachkräfte, damit sie ihrer Aufgabe gerecht werden können. Es braucht eine Verstetigung dieser Sensibilisierungsarbeit, die in der Ausbildung beginnen und im Berufsalltag begleitend vorhanden sein sollte.

Was wünschen sich Freweini Zerai und Isabel Riedling? Auf jeden Fall ihre erfolgreiche Bildungsarbeit fortsetzen zu können. Vor allem aber ein wachsendes Bewusstsein dafür, wie wichtig die diskriminierungskritische Arbeit in den Kindertagesstätten ist. Denn selbstverständlich haben Neuankömmlinge Probleme, sich in eine Gesellschaft zu integrieren, unterschiedliche kulturelle Prägungen prallen aufeinander.

Für beide Gesprächspartnerinnen gilt: Sie schätzen die Arbeit der Fachkräfte unglaublich hoch. Sie erleben die Überlastung vieler Mitarbeitenden in den Kitas und wissen auch um die Schwierigkeiten der Erziehungsarbeit. Sowohl Freweini Zerei als auch Isabell Riedling sind der festen Überzeugung, dass sich der Einsatz für die Kinder lohnt. Denn es geht um die Gesellschaft von morgen. Mit der kulturellen Bildungsförderung leistet der Verband einen wichtigen Beitrag dazu, Kinder in ihrer Diversität anzunehmen und Vielfalt tatsächlich zu leben. Diese Grunderfahrung soll Kinder auf ihrem Lebensweg begleiten und ihnen die Sicherheit geben, die sie brauchen, um erfolgreich ihr Leben gestalten zu können. Jede Unterstützung dafür lohnt es – für unser aller Miteinander.

Ich bedanke mich bei meinen beiden Gesprächspartnerinnen für ihre Zeit und ihre Geduld. Die Bedeutung der diversitätssensiblen, vorurteilsbewussten und rassismuskritischen Sensibilisierung von Fachkräften und Eltern in Kindertagesstätten ist mir nun klar geworden.

Bericht von Gabi Graswald-Vidovic – Juli 2023
Foto: Ulrike Gaidosch-Nwankwo