Szenischen Lesung „Draußen vor der Tür“

Szenischen Lesung „Draußen vor der Tür“

Ein Abend, der bleiben wird: intensiv, bewegend und beglückend zugleich

Stimmen, die Wunden öffnen

Szenischen Lesung „Draußen vor der Tür“Vor nahezu ausverkauftem Saal präsentierte die interkulturelle Stiftung Kolibri im Kulturhaus Milbertshofen am 16. November eine szenische Lesung von Wolfgang Borcherts bewegendem Drama Draußen vor der Tür. Die Schauspieler*innen Caroline Ebner, Robert Dölle, René Dumont und Stefan Merki von den Münchner Kammerspielen und dem Residenztheater liehen Borcherts Text ihre Stimmen. Eindringlich, kraftvoll und mit einer Tiefe, die das Publikum unmittelbar erreichte.

Das Drama, das Borchert 1947 innerhalb von nur acht Tagen schrieb, ist eines der wichtigsten Werke der deutschen Nachkriegsliteratur. Der Autor, selbst verwundeter Kriegsheimkehrer, schuf darin ein zeitloses Stück über die inneren Verwüstungen des Krieges, über Schuld, Verdrängen und die schmerzhafte Suche nach einem Platz in einer zerstörten Gesellschaft. Robert Dölle sprach den Beckmann mit einer Unmittelbarkeit, als sei er selbst dieser heimkehrende, verzweifelte junge Mann. Auch Caroline Ebner, René Dumont und Stefan Merki beeindruckten durch die konzentrierte, sorgfältige Erarbeitung ihrer Rollen.

Klanginseln und Wund-Bilder – Ein Raum voller Echo

Der visuelle und musikalische Raum dieses besonderen Abends war ebenso eindrucksvoll gestaltet. Die Pianistin und Klangperformerin Masako Ohta schuf drei musikalische Inseln des Innehaltens, in denen das Publikum das Gehörte nachklingen lassen konnte. Ihre Klangsprache, geprägt von Poesie und interkulturellen Einflüssen, ergänzte den Text auf berührende Weise.

Die abstrakten Wund-Bilder des Künstlers Walter Raum, eigens für diesen Abend ausgestellt und ebenso als großes Triptychon auf der Bühne präsent, verliehen dem Raum eine einzigartige Atmosphäre. Raum verarbeitet in seinen Werken nicht nur seine eigenen Kriegserfahrungen, sondern auch den schmerzhaften Versuch, mit der Last seiner Schuld einen Weg zurück in die Gesellschaft zu finden. Sie begleiten auch eine besondere Buchausgabe von Borcherts Drama, herausgegeben von seinem Sohn Tobias Raum, die an diesem Abend auf großes Interesse stieß.

Ein besonderes Anliegen von Kolibri war es, an die langfristigen Folgen von Kriegen und die damit verbundene gesellschaftliche Verantwortung zu erinnern. Folgen, die kein Friedensvertrag aufheben kann: traumatisierte Heimkehrer, zerstörte Lebenswelten und eine Gesellschaft, die im Verdrängen vermeintliche Sicherheit sucht. In Zeiten aktueller weltweiter Konflikte, Flucht und Vertreibung wirkt Borcherts Text bedrückend aktuell und notwendig.

Ein Abend, der nachhallt

Unter den knapp 250 Besucherinnen waren auch 58 Schüler*innen von Berufs­ober­schulen und einem Gymnasium, deren Teilnahme durch die Stiftung Hubert Beck ermöglicht wurde. Im Vorfeld auf die Lesung vorbereitet, nutzten sie im Anschluss die Gelegenheit, den Schauspieler*innen Fragen zu stellen. Viele von ihnen erlebten ihre erste Lesung und zeigten sich beeindruckt von der intensiven Wirkung, die allein durch Sprache, Stimme, Bild und Klang entstehen kann.

Renate Bürner

Im Anschluss verweilten viele Gäste noch lange im Foyer, suchten das Gespräch miteinander und den Künstler*innen. Immer wieder hörte man Dankbarkeit für diesen besonderen Abend, für die konzentrierte Stille während der Lesung, die Offenheit des Publikums und die Kraft des künstlerischen Zusammenspiels. Auch die Schauspieler*innen und Masako Ohta zeigten sich begeistert und lobten die tiefe Aufmerksamkeit im Saal. Spontan äußerten sie den Wunsch, die Lesung unbedingt zu wiederholen.

Walter Kuhn

Die Veranstaltung wurde großzügig unterstützt durch eine Spende des Evangelischen Bildungswerks sowie durch die Stiftung Hubert Beck und das Kulturhaus Milbertshofen. Die kluge Textfassung von Renate Bürner trugen wesentlich zum intensiven Eindruck des Abends bei; ebenso gilt besonderer Dank Walter Kuhn und allen Engagierten von Kolibri, die diesen Abend möglich gemacht haben.  Mit großer Dankbarkeit möchten wir auch Sylvia Janka erwähnen. Seit 1997 bereichert sie als Maskenbildnerin die Münchner Kammerspiele. Diesen Abend hat sie maßgeblich ermöglicht: Sie stellte den Kontakt zu den Künstler*innen her, die auch ihretwegen zugesagt haben.

Fotos: © Ingrid Scheffler, © Barbara Pfletschinger